No Risk, no Fun
Die Wutrede des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner vom 29.01.15 im Landtag von Nordrhein-Westfalen wurde innerhalb kurzer Zeit zum Hit in den sozialen Medien. Der FDP-Fraktionschef reagierte in seiner nicht geplanten Rede auf einen hämischen Zwischenruf des SPD-Vorsitzenden Volker Münchow. Dieser hatte ihn an seinen gescheiterten Versuch erinnert, als Unternehmer während der Dotcom-Phase Fuß zu fassen. Der Vorwurf Münchows gegenüber Lindner kam zum falschesten Zeitpunkt überhaupt, denn kurz vorher hatte die SPD-Landeschefin Hannelore Kraft in ihrer Regierungserklärung geschrieben: „Ein starker, lebendiger Standort braucht... innovative Gründer.“
Schwieriger Stand für Unternehmer in Deutschland
Christian Lindner nahm den Zwischenruf von Volker Münchow zum Anlass, um mit der in Deutschland verbreiteten Einstellung zum Unternehmertum abzurechnen. Hat der Selbständige Erfolg mit seiner Firma, kommt er in die Mühle der staatlichen Umverteilung. Kraft dazu in ihrer Erklärung: „Ebenso setzen wir uns für die Erhöhung des Spitzensteuersatzes auf hohe Einkommen ein“. Bei diesem Akt dürfen die ausführenden staatlichen Organe auf die Gunst der Bevölkerung hoffen. Läuft es allerdings schlecht und die Firma scheitert, egal aus welchem Grund, wird der Verantwortliche geächtet. Wie viel einfacher ist es da im öffentlichen Dienst? Als Beschäftigter dort, wird man im Regelfall ein höheres Lebenseinkommen erreichen, als die meisten in der privaten Wirtschaft tätigen – ohne dabei jemals ein Risiko eingehen zu müssen. Daher ist es nachvollziehbar, dass immer mehr junge Menschen den einfacheren Weg einschlagen. Und wer nicht ein Rädchen im staatlichen Apparat sein will, ohne Möglichkeit sich zu verwirklichen, sucht in einem anderen Land sein Glück.
Vollkasko-Mentalität verbreitet
Der Wutausbruch des FDP-Mannes ist kein Statement seiner parteipolitischen Gesinnung. In großen Teilen Europas hat die soziale Marktwirtschaft bei vielen Bürgern zu einer Vollkasko-Mentalität geführt. Das Eingehen von Risiken ist tabu, wer Geld anlegt, will dafür Garantien haben. Bei auftretenden Problemen wird sofort nach dem Staat gerufen, der wiederum den Schuldigen finden muss. Viele Unternehmensgründer scheitern heute in Deutschland und in den meisten europäischen Staaten an der ausufernden Bürokratie. Oder sie suchen sich aus Angst vor dem Scheitern eine Stelle bei der staatlichen Verwaltung.
Visionäre Köpfe haben es in den USA leichter
Es ist daher kein Zufall, dass viele erfolgreiche Unternehmen der Gegenwart wie Google, Amazon, Facebook und Apple aus den USA stammen. Das Titelbild des Wirtschaftsmagazins Brand Eins ziert im letzten Oktober ein Zitat von Max Levchin: „Das erste Unternehmen, das ich gegründet habe, ist mit einem großen Knall gescheitert. Das zweite Unternehmen ist ein bisschen weniger schlimm gescheitert, aber immer noch gescheitert. Und wissen Sie, das dritte Unternehmen ist auch anständig gescheitert, aber das war irgendwie okay. Ich habe mich rasch erholt, und das vierte Unternehmen überlebte bereits. Es war keine großartige Geschichte, aber es funktionierte. Nummer fünf war dann Paypal.“ Wieviele Firmen hätte er wohl in Deutschland gründen können?
Nur wer Risiken eingeht, kann gewinnen
Der Anleger muss sich mit der Frage beschäftigen, ob Europa, das sich aktuell konjunkturell erholt, eine Region ist, in der langfristig mit Wachstum und Erträgen zu rechnen ist. Bedenken sollte man dabei: Wachstum entsteht immer dort, wo Menschen Visionen haben und das Risiko eingehen, diese in Geschäftsmodelle umzusetzen. Dazu bedarf es in den allermeisten Fällen eines Startkapitals. Wer bereit ist dieses zu geben, darf auf Mehrung seines finanziellen Einsatzes hoffen. Dies ist allerdings nicht im Sinne des sicherheitsorientierten Sparers. Risiken sind verpönt und somit liegen Billionen von Euro auf ertragsschwachen Bank- und Versicherungskonten. Tatsächlich garantiert ist hier einzig und allein der Verlust. Tragisch ist das, vor allem unter dem Aspekt der dringend benötigten privaten Altersvorsorge, da die staatlichen Leistungen in Zukunft weiter drastisch sinken werden.
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